Immunreaktion - Alternativer Signalweg entdeckt

04.04.2016

Durch eine Kombination neuer Untersuchungsmethoden hat ein Team um den LMU-Genforscher Veit Hornung bislang unbekannte molekulare Mechanismen bei der menschlichen Immunantwort erkannt.

Das Immunsystem des Menschen unterscheidet zwischen „selbst“ und „fremd“, um Krankheitserreger und Krebs abzuwehren. Zur effektiven Bekämpfung von „fremd“ wird allerdings ein Schnellstart der Immunreaktion benötigt, bei dem angeborene Rezeptoren von Immunzellen fremde Oberflächenmoleküle erkennen. Dadurch werden Botenstoffe freigesetzt, die die Immunantwort in Gang bringen. Um diese Signalwege zu analysieren, haben Forscher um Veit Hornung, Inhaber des Lehrstuhls für Immunobiochemie am Genzentrum der LMU, zwei neue Verfahren kombiniert. Durch das systematische Ausschalten einzelner Gene in einem neuartigen Zelltyp, der menschlichen Abwehrzellen bis ins Detail ähnelt, ist es ihnen gelungen, einen bislang unbekannten Signalweg aufzudecken, der eine wichtige Rolle in der Steuerung von Entzündungsprozessen spielt. Über ihre Ergebnisse berichten sie aktuell in der Fachzeitschrift Immunity.

Veit Hornung und sein Team haben sich in dieser aktuellen Studie zunächst am Universitätsklinikum Bonn, dann an der LMU, an die Hornung im Oktober 2015 gewechselt ist, dem sogenannten NLRP3-Inflammasom gewidmet, das eine Schlüsselrolle in häufig vorkommenden entzündlichen Erkrankungen, wie zum Beispiel der Gicht, dem sogenannten „Alterszucker“ (Typ 2 Diabetes) oder auch der Arteriosklerose spielt. Der bisherige Erkenntnisstand basierte vor allem auf Zellen der Maus, von denen bekannt war, dass zwei initiale Reize nötig sind, damit das NLRP3-Inflammasom zur Ausschüttung des Botenstoffs Interleukin 1 führt. Untersuchungen in menschlichen Zellen zeigten jedoch andere Ergebnisse. So setzten humane Monozyten, ein Zelltyp, der eine zentrale Rolle in der Steuerung von Immunantworten spielt, diesen wichtigen Botenstoff in Reaktion auf einen einzelnen Reiz frei. Das Problem, das sich der Gruppe nun jedoch stellte war: Wie konnten die Forscher menschliche Zellen gezielt unter die Lupe nehmen, um die Rolle einzelner Gene gezielt untersuchen können?

„Wir haben ein Verfahren entwickelt, mit dem wir einzelne Gene in Zellen, die menschlichen Monozyten sehr ähnlich sind, gezielt ausschalten können. So lässt sich auf genetischer Ebene herausfinden, welche Komponenten für die Signalübertragung verantwortlich sind“, berichtet Erstautor Moritz Gaidt, Doktorand in der Gruppe von Veit Hornung,. Mit diesem Verfahren konnte das Team mit bisher unerreichter Präzision analysieren, wie Interleukin 1 von menschlichen Zellen ausgeschüttet wird. Dadurch konnte ein neuer Signalweg aufgedeckt werden, der es menschlichen Monozyten ermöglicht, das NLRP3-Inflammasom bereits in Reaktion auf einen einzelnen Reiz zu aktivieren.

Die Forscher aktivierten den TLR4-Rezeptor der Monozyten, indem sie die Zellen mit Lipopolysacchariden in Verbindung brachten, einer Zucker-Fett-Verbindung, die häufig auf der Oberfläche bestimmter Bakterien vorkommt. Dies aktivierte einen neuen Signalweg, der in der Ausschüttung von Interleukin 1 mündete. „Die Aktivierung dieses neuen Signalwegs erklärt, warum humane Monozyten keinen zweiten Reiz benötigen, um Interleukin 1 auszuschütten. In Mauszellen ist der Signalweg allerdings nicht aktiv, daher wird ein zweiter Reiz benötigt“, erklärt Veit Hornung. Auch zeigten die menschlichen Zellen ein anderes Verhalten als die tierischen Zellen. So war ein typisches Merkmal der Inflammasomaktivierung, der programmierte Zelltod, in den menschlichen Zellen nicht zu beobachten. „Wir nennen diesen Signalweg das alternative Inflammasom, um ihn eindeutig von den bisher beschriebenen Signalwegen abzugrenzen“, sagt Hornung. „Wir glauben, dass dieser alternative Signalweg eine entscheidende Rolle in Entzündungsprozessen beim Menschen spielt.“

Die Studie ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Ergebnisse aus dem Mausmodell nicht immer eins zu eins auf den Menschen übertragbar sind. Nur menschliche Monozyten lösen in Reaktion auf Lipopolysaccharid direkt die Freisetzung von Interleukin 1 aus, ohne dass ein zweiter Reiz nötig ist. Die Forscher schlagen daher vor, anhand anderer tierischer Modellorganismen die Funktion des TLR4-Rezeptors in vivo weiter zu analysieren. In vitro macht es das von Veit Hornung und seinem Team entwickelte Verfahren möglich, weitere Signalwege zu untersuchen. „Unsere Ergebnisse widerlegen bisherige Annahmen der Inflammasomforschung. Wir hoffen, dass unsere neue Methode weiter dazu beitragen kann, die zellbiologischen Grundlagen von Immunkrankheiten zu verstehen“, sagt Hornung.
(Immunity 2016)